Cognitive Load Theory (CLT)
E-Trainings wirksamer und nachhaltiger macht.
9:07
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem E-Training. Auf dem Bildschirm erscheinen dichte Textblöcke, daneben eine komplizierte Grafik, unten läuft eine Stimme, die denselben Text noch einmal vorliest. Nach wenigen Minuten schweifen die Gedanken ab: Der Kopf ist voll, nichts bleibt hängen. Dieses Gefühl kennt fast jeder – und genau diesen Effekt erklärt die Cognitive Load Theory.
Die Theorie basiert auf der Kernannahme, dass das menschliche Arbeitsgedächtnis eine strikt begrenzte Kapazität besitzt. Es kann immer nur wenige Informationseinheiten gleichzeitig verarbeiten, bevor eine Überlastung eintritt. Nachhaltiges Lernen ist nur möglich, wenn Inhalte so aufbereitet werden, dass sie ins Langzeitgedächtnis wandern und dort zu stabilen Schemata vernetzt werden. Schemata bündeln komplexe Informationen und machen diese überhaupt erst handhabbar.1 2
Die CLT unterscheidet drei zentrale Arten kognitiver Belastung:
- Die intrinsische Last hängt von der Komplexität des Lernstoffs ab. Sie lässt sich nicht beliebig senken, kann aber z. B. durch die Zerlegung in Einzelschritte oder das Aktivieren von Vorwissen didaktisch beeinflusst werden.
- Die extrane Last entsteht durch ungünstige Darstellung und Instruktionen – etwa, wenn Lernende zwischen Text, Grafik und Legende springen oder durch überflüssige Bilder abgelenkt werden. Diese Last ist lernirrelevant und sollte minimiert werden, um Kapazitäten freizuhalten.3
- Die germane Last beschreibt die geistige Anstrengung, die in das Verarbeiten und Verstehen neuer Inhalte, den Aufbau und die Automatisierung von Schemata investiert wird. Ein gutes Lehrdesign fördert diese lernförderliche Anstrengung gezielt. 4
Aktuelle Diskussion
In der neueren Forschung ist umstritten, ob die »germane Last« als eigene Kategorie bestehen bleiben sollte oder eher als Anteil der vorhandenen Ressourcen zu verstehen ist, die – nach Reduktion der extranen Last – für das Lernen eingesetzt werden können. Viele aktuelle Modelle reduzieren daher auf die Unterscheidung von intrinsischer und extraner Last und sehen die lernrelevante Anstrengung als Ergebnis einer konsequenten Reduktion extraner Störfaktoren. Für die Praxis bleibt es aber zielführend, Lernsettings so zu gestalten, dass möglichst viele kognitive Ressourcen für den eigentlichen Lernprozess zur Verfügung stehen.5
Gestaltungsprinzipien nach CLT
Folgende Prinzipien sind durch zahlreiche Studien breit belegt und auf E-Learning direkt übertragbar:
- Durchgearbeitete Beispiele: Schrittweise Problemlösungen unterstützen vor allem Einsteiger beim Aufbau von Schemata und verhindern Überforderung.
- Integration von Informationen: Grafiken mit Textlabels sind leichter zu verstehen als Informationen, die auf verschiedene Orte verteilt sind (Split-Attention-Effekt).
- Redundanzeffekt: Wird derselbe Text gleichzeitig gelesen und gehört, überlastet das viele Lernende. Die Kombination aus Grafik und passender Audioerklärung ist meist effektiver. Redundanz ist allerdings nicht per se schlecht – Lernanfänger profitieren in manchen Zusammenhängen durchaus von doppelten Angeboten; mit wachsendem Vorwissen kippt der Effekt jedoch ins Negative (Expertise-Reversal-Effekt).
- Adaptive Unterstützung: Je nach Vorwissen sollten Umfang und Art der Hilfestellung differenziert werden, damit Fortgeschrittene nicht durch unnötige Wiederholungen gebremst werden.
Umsetzung in der Praxis
Diese Prinzipien wenden wir bei breed.design konsequent an. Unsere E-Trainings sind modular aufgebaut, folgen einer klaren Dramaturgie und konzentrieren sich in jedem Modul auf eine zentrale Kernbotschaft, unterstützt durch gezielte visuelle Signale. Ein Pre-Check kann den Schwierigkeitsgrad am Vorwissen ausrichten: Für Einsteiger gibt es geführte Beispiele und Zusatzhilfen, Fortgeschrittene arbeiten früher eigenständig. Hierfür nutzen wir beispielsweise die Zielgruppen-Funktion in unserm Autorentool. Bei der Medienwahl bevorzugen wir klare Grafiken und kurze akustische Erläuterungen statt umfangreicher Textblöcke.
Fazit: Lernen braucht optimiertes Design
Trainings, die sich an den CLT-Prinzipien orientieren, machen die Lerninhalte verständlicher und nachvollziehbarer. Lernende werden nicht mit Materialmenge, sondern durch intelligentes Design und gezielte Steuerung ihrer kognitiven Last unterstützt. Effektives Lernen gelingt dabei durch die Reduktion von Störfaktoren, die Fokussierung auf das Wesentliche und adaptive Unterstützung.
- https://www.mcw.edu/-/media/MCW/Education/Academic-Affairs/OEI/Faculty-Quick-Guides/Cognitive-Load-Theory.pdf ↩︎
- https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC10804965/ ↩︎
- https://www.ilz.ch/blog/gestaltung-digitaler-lehr-und-lernmedien-mit-fokus-auf-kognitive-aspekte ↩︎
- https://www.readabilitytutor.com/germane-load/ ↩︎
- https://www.uni-rostock.de/storages/uni-rostock/UniHome/Weiterbildung/Medien_und_Bildung/Leseproben/Leseprobe_Psychologische_Grundlagen.pdf ↩︎