Retrieval Practice – Lernen durch aktives Abrufen

Wissen bleibt hängen, wenn wir es abrufen.
Retrieval Practice macht Lernen wirksam – auch im digitalen Training.

Viele Lerner glauben, dass Wiederholen oder erneutes Durchlesen von Inhalten der beste Weg ist, um Wissen zu festigen. Die Forschung zeigt jedoch ein anderes Bild: Aktives Abrufen – auch als Retrieval Practice bekannt – gehört zu den wirksamsten Methoden, um Gedächtnisinhalte nachhaltig zu verankern 1 2.

Warum Abrufen so stark wirkt

Beim Lernen kommt es nicht nur darauf an, Informationen ins Gedächtnis zu bekommen, sondern sie auch zuverlässig wieder herauszuholen. Jedes Mal, wenn wir uns aktiv an Gelerntes erinnern, wird die Gedächtnisspur stärker und stabiler. Studien zeigen, dass bereits kurze Tests oder kleine Abfrageübungen das Erinnern nachhaltiger machen als stundenlanges Wiederlesen 3 4. Abrufen zwingt unser Gehirn, gespeichertes Wissen „neu zu konstruieren“ – genau diese Anstrengung („desirable difficulty“) sorgt für einen stabileren Zugriff in der Zukunft 5.

Unterschied zwischen Lernen und Abrufen

Viele Lernende unterschätzen, wie leicht man sich beim Lesen in falscher Sicherheit wiegen kann – eine „Illusion des Wissens“. Beim zweiten oder dritten Durchgang wirkt ein Text vertraut, aber das ist kein Zeichen von echtem Verständnis. Abrufübungen entlarven diese Illusion, weil nur beim aktiven Erinnern deutlich wird, was tatsächlich verankert ist und wo noch Lücken bestehen 6.

Praktische Umsetzung im Lernalltag

Retrieval Practice lässt sich mit Selbsttests, Karteikarten-Apps oder Quizformaten in E-Trainings unterschiedlich gestalten. Entscheidend ist, dass das Abrufen wirklich aktiv und nach Möglichkeit ohne Hilfsmittel erfolgt. Selbst kurze, regelmäßige Abfragen wirken stark, vor allem wenn die Abstände schrittweise wachsen (spaced retrieval). So wird Wissen dauerhaft ins Langzeitgedächtnis verankert. 7

Feedback als Erfolgsfaktor

Der Lerneffekt verbessert sich noch weiter, wenn nach Abrufaufgaben unmittelbar Feedback gegeben wird – besonders bei fehlerhaften Antworten. So werden Fehlkonzepte früh korrigiert und die richtige Information im Gedächtnis verstärkt 8.

Anwendung im digitalen Lernen

Bei breed.design nutzen wir seit Jahren die Retrieval-Prinzipien in unseren E-Trainingn: In interaktiven Modulen integrieren wir bewusst Micro-Retrievals in Form von Quizfragen, Drag-and-Drop- oder Szenario-Aufgaben. Durch passgenaues Feedback erfahren Lernende sofort, ob ihr Abruf korrekt war, und können gezielt nachbessern – ein wichtiger Baustein für nachhaltiges Lernen 9.

Typische Fehler und wie man sie vermeidet

Ein häufiger Irrtum ist die Gleichsetzung von Retrieval Practice mit Prüfungsstress. Tatsächlich ist stressfreies, spielerisches und niedrigschwelliges Abrufen am wirksamsten. Das motiviert, nimmt die Angst vor Fehlern und steigert Lernerfolg. Ein zweiter Fehler ist, Abrufübungen erst spät einzusetzen – am effektivsten sind sie bereits früh und regelmäßig nach der ersten Beschäftigung mit neuem Wissen 10.

Fazit

Retrieval Practice ist eine der bestbelegten Strategien für effizientes Lernen. Wer Inhalte aktiv abruft, speichert sie tiefer, erkennt Wissenslücken und baut nachhaltiges Verständnis auf – unabhängig vom Alter oder Ausgangsniveau.

  1. Karpicke, J. D. & Blunt, J. R. (2011). Retrieval practice produces more learning than elaborative studying with concept mapping. Science, 331(6018), 772-775. ↩︎
  2. Rawson, K. A. & Dunlosky, J. (2011). Optimizing schedules of retrieval practice for durable and efficient learning: How much is enough? Journal of Experimental Psychology, 140(3), 283. ↩︎
  3. Roediger, H. L. & Butler, A. C. (2011). The critical role of retrieval practice in long-term retention. Trends in Cognitive Sciences, 15(1), 20–27. ↩︎
  4. Larsen, D. P., Butler, A. C., & Roediger, H. L. (2009). Repeated testing improves long-term retention relative to repeated study: A randomized controlled trial. Medical Education, 43(12), 1174–1181. ↩︎
  5. Bjork, E. L. & Bjork, R. A. (2011). Making things hard on yourself, but in a good way: Creating desirable difficulties to enhance learning. Psychology and the Real World: Essays illustrating fundamental contributions to society. ↩︎
  6. Kornell, N. (2009). Optimising learning using flashcards: Spacing is more effective than cramming. Applied Cognitive Psychology, 23(9), 1297–1317. ↩︎
  7. Chan, J. C. K., McDermott, K. B., & Roediger, H. L. (2006). Retrieval-induced facilitation: Initially nontested material can benefit from prior testing of related material. Journal of Experimental Psychology: General, 135(4), 553–571. ↩︎
  8. Shute, V. J. (2008). Focus on formative feedback. Review of Educational Research, 78(1), 153-189. ↩︎
  9. www.retrievalpractice.org/resources/evidence ↩︎
  10. Rowland, C. A. (2014). The effect of testing versus restudy on retention: A meta-analytic review of the testing effect. Psychological Bulletin, 140(6), 1432–1463. ↩︎
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